Sonntag, 6. Mai 2012

Gedankensplitter / re:view: re:publica - Die "gefühlte" Öffentlichkeit

An der re:publica 2012 gab es wieder ein umfangreiches Programm zu sehen. In den kommenden Tagen wird ein Grossteil davon im Archiv online gestellt. Mir sind besonders vier Vorträge hängen gebleiben, die mich mit dem Tag gefühlte_Öffentlichkeit, wie ein roter Faden durch die Konferenz zur digitalen Gesellschaft begleiteten.

Am Donnerstag war bereits am frühen Morgen die Diskussion Der digitale Dorfplatz: Privat oder öffentlich? von Martina Pickhart (@pickihh), Sascha Lobo (@saschalobo), Ralf Lesser, Referent für Netzpolitik im Bundesministerium des Innern, Falk Lüke (@flueke) und Jan Möller (@janmoeller) gut besucht. Einige Statements, die zum Nachdenken anregten waren, dass die Grundrechte (z.B. Informations- und Meinungsfreiheit, Datenschutz) der Nutzenden dem Geschäftsmodell der Anbieter entgegen stehen. Vielen ist das nicht bewusst, denn im Internet ist doch alles gratis und frei. Nach Sascha Lobo "fühlt sich das Internet für viele Nutzer als eine Öffentlichkeit an, die de facto keine Öffentlichkeit ist."

Die gefühlte_Öffentlichkeit findet auf privaten Servern statt und ist somit ein Grundkonflikt im Netz. Welche persönlichen Daten man z.B. in die Hände von privaten Servern wie bei Facebook oder Twitter abgibt, erläuterte Marcus Lindemann explemarisch an einer Recherche zu seinem Vortrag Was das Netz über einen Netizen weiss. Er sezierte ausgiebig das Profil einer realen Person, welche für ein Internetunternehmen arbeitet und brachte neben den persönlichen Daten auch zahlreiche Hochzeitsbilder sowie einen Twitteraccount der dreijährigen (!) Tochter zu Tage. Ausführlich beschrieben ist diese Recherche in Heise.de. Der Proband war darüber natürlich wenig erfreut, postet aber laut Lindemann weiterhin freiwillig persönliche Details im Netz.

Nun könnte man sagen, das Internet oder Facebook ist böse. Manche halten Facebook für das Internet! Auch eine Aussage auf der re:publica. Was fehlt ist der reflektierte Umgang mit den Social-Media-Tools im Netz. Christine Kolbe schlägt deshalb in ihrem Vortrag Nichts verschenken – Netzkulturlernen statt Medienkompe­tenz! vor, dass man anstellen der oft negativen, angstbesetzten Abgrenzung der Social Media Tools, diese besser in den Unterricht zu integrieren soll. Bei der Vermittlung von Medienkompetenz ist es ihr wichtig, neben Technik & Tools, Rechte & Pflichten, Gefahren & Risiken auch auf die Möglichkeiten & Werte hin zuweisen. Netzkulturlernen hat für sie die katalytische Funktion für andere Kompetenzen, wie Sprache und fördert so das lebenslange und informelle Lernen.

Sie stellte dazu zwei Beispiele vor, wie sie dies mit den Schülern/innen am Albrecht-Dürrer Gymnasium in Berlin Neuköln umsetzt. Ein Projekt befasste sich mit der Urhebergerechtigkeit im Netz. Das andere Projekt läuft noch und möchte die bewusste Erfahrung mit Sprache und Verdichtung dieser fördern. Genutzt wird dazu fast naheliegend Twitter. Beides sind spannende Projekte, welche von Vincentino, einem Verein der bekannten deutschen Moderation Sandra Maischberger gefördert werden.

Auch Martin Kurz ist dafür Facebook mit Schülern zu nutzen. In seiner Präsentation, welche online ist analysierte er kritisch, wie man dies am Besten umsetzen kann. Wichtig ist ihm dabei genau zu klären, wofür man Facebook im Unterricht braucht. In seiner Demo-Facebookgruppe tauschen sich seine Schüler überwiegend über den Unterricht (Mathe) aus und erinnern sich gegenseitig an die nächsten Prüfungen. Das, was früher auf dem Flur stattfand, verlagert sich ins Netz. Kritisch ist nur der Punkt, was machen die Schüler/innen, die nicht in Facebook sind. Wie bekommen sie diese Infos? Hier kommen wiederum die klassischen eLearning-Tools wie Moddle ins Spiel. Denn verpflichten kann er die Schüler/innen aufgrund Datenschutzbestimmungen nicht in Facebook beizutreten. Dies ist nicht schlimm, denn dadurch kommt es zur Diskussion, ob man in Facebook sein muss und ob man überhaupt seine persönlichen Daten bekanntgeben muss. Auch ein informeller Lerneffekt, der den Umgang mit der gefühlten_Öffentlichkeit fördert.

Mein Fazit der re2012: Die Social-Media-Tools sind noch nicht selbstverständlich in der Gesellschaft angekommen. Auf der einen Seite ist vieles angstbesetzt im Umgang damit, auf der anderen Seite werden manche Tools extrem gehypt. So bekommt man tatsächlich den Eindruck, dass das Internet nur noch aus Facebook oder Twitter besteht. Kolbe oder Kurz raten deshalb zum reflektieren Umgang damit. Dies kann ruhig auch spassorientiert mit einem Augenzwinkern sein. Nur völlig ignorieren kann man die Entwicklungen im Netz nicht mehr.

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